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Whisky Review #113: Zu Besuch bei: Glenfiddich

Diesen März haben wir uns wieder in die Speyside aufgemacht und uns gedacht "todays rain is tomorrows whisky". Das Wetter war aber besser als gedacht und so konnten wir an einem wunderschönen Frühlingstag die "Pioneers Tour" bei Glenfiddich genießen. Ob sich diese 95 Pfund Tour wirklich lohnt und was man vier Stunden lang in einer Brennerei machen kann, das erfahrt Ihr heute auf A Dr(e)am of Sea!

Speyside 2019

Im März 2019 war ich wiedereinmal in der Speyside und habe mir eine ganze Menge Brennereien angeschaut. In den kommenden Wochen werde ich jede besuchte Brennerei ausführlich besprechen mit einem passenden Whisky, Videos und jeder Menge Bilder. Hier findet Ihr eine Übersicht, welche laufend aktualisiert wird.

 

Das reicht euch nicht? Hier gibt es Destilleriebesuche aus vergangenen Jahren!

Die Glenfiddich Pioneers tour

Glenfiddich bietet grundlegend drei verschiedene Touren an: Die Explorers Tour (£10) bietet mit 1,5 Stunden den Einstieg ins Tourangebot und führt einmal durch die Brennerei. Verkostet werden dabei der 12, 15 und 18 Jahre alte Glenfiddich. Extrem spannend wird es dann bei der "Solera: Deconstructed" Tour für £35, welche nicht nur eine Führung beinhaltet, sondern auch die Möglichkeit bietet sich seinen eigenen Solera zu kreieren. Ich hatte kurz überlegt diese Tour zu buchen, und wenn ich mal wieder auf der Ecke bin, dann würde ich diese Tour machen, obwohl ich die Brennerei schon kenne!

Ich habe mich dieses Mal für die Pioneers Tour entschieden, welche mit £95 nicht gerade billig daher kommt. Was wird einem laut Website dafür geboten? Eine ausführliche Tour durch die gesamte Brennerei inkl. Besuch von Warehouse 1, 8 und 12. In der Kategorie "Verkostung" stehen jedoch erneut nur der 12, 15 und 18er. Hier hat sich wohl ein Fehler eingeschlichen, denn tatsächlich sah das Tasting deutlich anders aus. Außerdem, und das war der ausschlaggebende Punkt für mich, kann man sich eine 200ml Flasche Whisky selbst abfüllen und mit nach Hause nehmen! Da ist die Tour ja schon gar nicht mehr so teuer, richtig?

 

Eine Übersicht über alle Touren findet Ihr auf der Website von Glenfiddich.

A long story short.

Wir waren bereits vor 2 Jahren bei Glenfiddich, hatten damals aber keine Tour gebucht, sondern waren bei Aberlour und GlenDronach. Glenfiddich mussten wir aus Zeitgründen damals auslassen. Jetzt bot sich mir also die Gelegenheit dies nachzuholen und ich bin mit einer "wenn schon, denn schon"-Mentalität rangegangen und habe die teuerste Tour gebucht (gleich zweimal, denn ich zahle immer für die Fahrerin mit - ist ja selbstverständlich!).

So ganz sicher war ich mir meiner Sache nicht, denn die Erwartungshaltung meinerseits war doch schon ziemlich hoch. Unsere Tour fand am Dienstag statt, doch bereits am Sonntag sind wir auf einen Kaffee und ein Stück Kuchen in die "Malt Barn" eingekehrt. Glenfiddich lohnt sich ganz sicher nicht nur für den Whisky!

Am Dienstag waren wir um kurz vor 12 vor Ort und wurden sehr freundlich im toll aufgemachten Empfangsbereich begrüßt. Neben der Brennereihistorie gibt es auch eine Auszug aus dem Familienstammbaum der Grants zu sehen. Insgesamt fühlt man sich hier direkt wohl - modern, aber auch mit Tradition. 

Nach einer kurzen Wartezeit wurden wir von unserem Tourguide Allen McArthur abgeholt und direkt in die heiligen Hallen der Familie Grant entführt. Zu unserem Glück, und vielleicht auch der Nebensaison geschuldet, hatten wir eine private Führung und der maximale Rahmen von 8 Personen wurde mit uns zweien nicht gerade ausgereizt. 

Im privaten "Wohnzimmer" der Grants angekommen machten wir es uns gemütlich und Allen legte mit der Geschichte der Familie Grant los. Nicht jedoch, ohne mir vorher einen Glenfiddich IPA anzubieten. Großzügig eingeschenkt natürlich. Die genaue Familiengeschichte habe ich mir nicht merken können, denn es ging viele Jahrhunderte zurück und schottische Clannamen haben doch eine gewisse Ähnlichkeit. Eine Anekdote ist mir jedoch im Gedächtnis geblieben, denn sie ist so schön "schottisch": Die Grants kämpften an der Seite von Charles Edward Stuart, besser bekannt als "Bonnie Prince Charlie", für die schottische Unabhängigkeit von England. Nun, der Ausgang ist wohl bekannt und die Grants entgingen nur knapp dem englischen Schwert und mussten fliehen. In der Nähe von Dufftown ließen sie sich unter anderem Namen nieder, da es sich um ein Gebiet handelte, welches England unterstützt hatte. Die Übersetzung des Namens: Rebell. Großartig, dieses "verstecken und dennoch dem Gegner etwas unter die Nase reiben". Genau deshalb liebe ich die Schotten!

William Grant selbst wollte zunächst eigentlich seinen eigenen Steinbruch aufbauen, blieb aber jahrelang erfolglos dabei Land zu erwerben. So kam es durch Zufall dazu, dass er sich auf eine Stelle für die Buchführung in der Brennerei Mortlach bewarb - ohne jemals in einer Brennerei oder in der Buchführung gearbeitet zu haben. Trotzdem wurde er genommen und stieg schnell auf, da er stets lange blieb, hart arbeitete und den gesamten Prozess der Whiskyherstellung kennen lernen wollte. Nach nur drei Jahren wurde er so zum Brennereimanager - eine Stellung, die er 20 Jahre lang inne hatte. 

Durch einen weiteren Zufall kam es dazu, dass Grant endlich Land erwerben und seine eigene Brennerei gründen konnte. Er hatte stets darauf gespart und £800 Pfund Vermögen angehäuft. Bei ca. £90 Pfund Jahreseinkommen war das gar nicht schlecht! Für £130 Pfund konnte er das alte Equipment von Cardhu kaufen und so seine eigene Brennerei gründen. Die einzigen Mitarbeiter dabei war seine Familie. Heute arbeiten übrigens ungefähr 250 Personen bei Glenfiddich. Die Brennerei selbst ist noch im Besitz der Gründerfamilie - eine absolute Seltenheit!

Endlich Produktion

Der Gang durch die Geschichte der Grants war sicherlich ein toller Einstieg, aber für uns ging es (endlich) weiter - die Treppe hinunter, direkt zu den Mash Tuns. Ich will euch eigentlich nicht zu viele Details antun, denn ob Glenfiddich jetzt Wasser mit 70°C oder 72°C hinzufügt ist wohl weniger von Interesse. Schön fand ich allerdings, dass Fotos und Videos während der ganzen Tour erlaubt waren. Lediglich in den Lagerhäusern war dies nicht möglich. 

Wir gingen nun also die gesamte Produktion ab: Mash Tuns, Fermentation & Washbacks bis hin zu den Stills. Glenfiddich hat hier eine relativ einzigartige Stellung, wobei auch Macallan so produziert, denn eine Wash Still (1. Destillation) arbeitet jeweils mit zwei Spirit Stills (2. Destillation) zusammen. Die Flüssigkeit aus der ersten Brennblase wird also auf zwei, unterschiedlich geformte, Brennblasen aufgeteilt, destilliert und dann einfach wieder zusammengeführt. Begründet ist dies in der Tradition: Grant kaufte drei Brennblasen von Cardhu und baute diesen Vorgang auf. Daran wird jetzt nicht mehr gerüttelt! Glenfiddich ist übrigens auch eine der größten Brennereien der Welt und liefert sich meist mit Glenlivet einen Wettstreit um den meistverkauften Single Malt. Aktuell liegen beide relativ gleich auf, doch Glenfiddich hat angebaut und ab April 2019 werden insgesamt 51 Brennblasen Whisky produzieren! Wie unser Guide sagte: "Die Grants denken nicht an die nächsten 10 Jahre, hier denken sie an die nächsten 100 Jahre." Hoffen wir mal, dass diese Investition gut geht, denn eine Still kostet ca. £1 Million Pfund!

Warehouses - Die Magie von Whisky

Wahrscheinlich jedem ist klar, dass die Produktion des "New Make", also des Rohbrandes, nur einen kleinen Teil des fertigen Produktes ausmacht. Als Daumenregel wird häufig "30% Rohbrand, 70% Fasseinfluss" gesagt, was natürlich nur eine grobe Regel ist. 

Für mich ist der Besuch des Lagerhauses immer der schönste Teil einer Brennereibesichtigung. Meist kommt man aus der hektischen, lauten Produktion und kann die Ruhe des Warehouse richtig genießen. Hier liegt im wahrsten Sinne des Wortes Magie in der Luft! Den Geruch eines alten Dunnage-Warehouse kann ich nur schwer in Worte fassen. Hier mischen sich Angel's Share, Eichenfässer, staubiger Boden, kühle Luft, alte Holzbalken, Steinwände und so vieles mehr zu einem vollkommenen Whiskyerlebnis. Entschuldigt, wenn das etwas blumig klingt, aber für mich ist das ein wirklich, wirklich besonderer Moment, wenn in einem Urlaub zum ersten Mal die Tür zu einem Lagerhaus aufgeht und ich tief einatmen kann.

Nach der Produktion ging es für uns also über den kleinen Weg zum Lagerhaus Nummer 1. Dieses Lagerhaus wurde 1889 gebaut und ist damit das älteste auf dem gesamten Gelände. Hier wurden wir in die grundsätzlichen Fakten zur Whiskylagerung eingeführt: Lagerzeit, Holz, Fasstypen, und mehr. Das gehört natürlich zu jeder Tour. Auch die Relevanz der Küfer wurde hervorgehoben, denn Glenfiddich beschäftigt noch selbst eine Fassmacher um die hohe Qualität der Fässer gewährleisten zu können.

Viel spannender, und leider absolut nicht fotografierbar, war das Warehouse 8, welches den Beinamen "experimental Warehouse" hat. Hier gab es doch allerhand zu entdecken: Fässer für Monkey Shoulder mit der Aufschrift "Mosh" (?!), das IPA Fass #1 inkl. Unterschrift von Brian Kinsman, die großen Fässer für den 18er "Small Batch" und auch das große Solera Fass für den 15er. Dieses Fass wird maximal zur Hälfte geleert und fasst bestimmt 60000 Liter. Nach der Leerung wird es wieder mit "neuem" 15 Jahre alten Whisky aufgefüllt. Das Fass, wobei "Behälter" besser wäre, besteht aus Oregon Pine und sorgt damit für keine weitere Reifung. Der Whisky wird hier also nur zusammengeführt und vermählt. Neben dem Solera gibt es noch drei weitere VATs, welche unter anderem für Travel Retail Abfüllungen genutzt werden. In Lagerhaus 8 hätte ich Stunden verbringen können und auch Allen wirkte so, als ob er seinen Spaß hätte. Zwischen den Reihen an Fässern musste auch er immer wieder Halt machen um zu schauen, was es neues gibt. Diese, fast schon kindliche, Freude und Neugier haben uns wirklich Spaß gemacht. Hier haben wir die Leidenschaft für Whisky und die Arbeit richtig sehen können.

Nach Lagerhaus 8 ging es noch zu Nummer 12. Hier wurde zwar nicht experimentiert, aber dafür abgefüllt! 4 Fässer standen für uns zur Auswahl: Jeweils 1 First Fill und ein Refill Sherry und Bourbonfass. Leider konnten wir den Whisky nicht vor der Entscheidung probieren - vielleicht mein einziger Kritikpunkt an der ganzen Tour, sondern konnten nur an den Fässern riechen. Wir haben uns dann jeweils für die First Fill Varianten entschieden. Der First Fill Sherry ist von 1998 und das Bourbonfass von 1999, also beide an die 20 Jahre alt! An diese Fässer kommt man übrigens auch nicht im Brennerei Shop, sie sind exklusiv für die Tour!

Abschluss mit Wucht!

Die Tour näherte sich langsam ihrem Ende und nach einem kurzen Abstecher in die Bottling Hall, wo fast alle Abfüllungen auf die Flasche gezogen werden, ging es zurück in die privaten Räume der Grants. Genauer gesagt ging es in das Esszimmer, welches mit Blick über die Mash Tuns überraschte. Mir war das vorher gar nicht aufgefallen!

Es folgte das Tasting, welches eben nicht nur aus 12, 15 und 18 bestand. Vielmehr ging es hier richtig rund, das Line Up mit Pairing war:

 

  • New Make Spirit (falls gewünscht - was für eine Frage?!)
    Wie erwartet: Fruchtig, viel Birne und Apfel und ein paar tropische Einflüsse. Ich mag New Make!
  • 12 Jahre // geräucherter Lachs auf Apfelpürree (30€)
    Der Klassiker: Ein angenehmer, leichter Einstieg in die Whiskywelt. Nicht überragend spannend, aber ein guter Whisky / Bei Lachs muss ich leider passen.
  • 15 Jahre Solera in Fassstärke (Distillery only bottling) // Kandierte Haselnüsse und Rosinen mit Honig (£120)
    In voller Fassstärke ist dieser Whisky ganz schön heftig. Mit Wasser hat er mir sehr gut gefallen, eine feine Balance aus Bourbon- & Sherryeinflüssen. Die süßen Nüsse harmonieren sehr gut mit dem Sherryanteil. Der Preis ist ziemlich heftig.
  • Project XX // Geräucherter Schinken mit Brotcrouton (45€)
    Das Project XX habe ich bereits besprochen. Für mich noch immer der beste Whisky aus der Experimental Series. Die verschiedenen Fässer (17x Bourbon, 2x Sherry, 1x Port) passen erstaunlich gut zusammen, die 47% tun ihm gut. Der Schinken gibt einen tollen Kontrapunkt und fordert die Zunge durch die salzigen Aromen heraus.
  • 21 Jahre Reserva Rum Cask Finish // Creme Brulee (150€)
    Den 21 jährigen Glenfiddich kannte ich vorher auch schon. Die Rumfässer halten sich mit ihrem Einfluss ein wenig zurück, der Whisky bleibt dabei harmonisch zwischen Eiche und süßer Melasse. Die Creme Brulee hebt die süße natürlich hervor - übrigens eine der besten Creme Brulee, die ich je gegessen habe!
  • 26 Jahre Excellence // Schottischer Käse und Walnuss (350€ +)
    Mit 26 Jahren hat dieser Whisky natürlich einiges an Fasseinfluss. Gelagert wurde vor allem in Ex-Bourbonfässern, was mir gut gefällt. Selbst nach 26 Jahren finde ich noch die Birne und den typischen Apfel aus dem New Make. Insgesamt unglaublich rund, mild und gesetzt. Ein wirklich feiner Whisky mit einem stolzen Preis. Der Favorit meiner Freundin - war ja klar! Schottischer Käse ist allerdings eher langweilig, die vorherigen Paarungen sagten mir mehr zu.

 

Bonus:

  • 30 Jahre (1984 - 2014) (700€ +)
    Meine kurzen Eindrücke zum Glenfiddich 30 gibt es unten im Video, schaut einfach rein! Kurz gesagt: Ein grandioser Whisky, der sich für mich jeglicher Bewertung entzieht. Die Preisdiskussion ist in diesen Regionen nicht wirklich zielführend. Ich werde mich erneut mit diesem Sample beschäftigen - vielleicht ein Kandidat für 3 Jahre A Dr(e)am of Sea?

Ich muss euch kaum sagen, dass dieses Tasting wirklich genial war. Die Food Pairings funktionierten perfekt, setzen mal einen harmonischen Kontrapunkt, mal eine Verstärkung der Aromen durch, und die Auswahl war über jeden Zweifel erhaben. Während des Tastings diskutierten wir über die Whiskys, aber auch über kritischere Themen, wie z.B. den Winter Storm. Um es kurz zu machen: Ja, das war so nicht wirklich geplant und auch unser Guide war der Meinung, dass diese Flasche besser als limitierte Einzelabfüllung hätte erscheinen sollen. Außerdem spannend: Die Fässer im XX sind wirklich recht alt und Glenfiddich macht an einer Flasche kaum Gewinn!

Fazit

Ich bin mit der Frage an diesen Artikel gegangen, ob sich die Pioneers Tour lohnt. Einfach gesagt: Auf jeden Fall! Klar, über 100 Euro für eine Tour auszugeben ist viel Geld, auch für mich! Aber, wenn man überlegt, was wir dafür bekommen haben, dann habe ich das Gefühl, dass der Preis mehr als Fair ist. Ein unglaublich erfahrener Mitarbeiter stand uns 4,5 Stunden zur Verfügung, pro Person gibt es einen 20 Jahre alten, fassstarken Single Malt zum abfüllen, und die Tastingauswahl ist wirklich großartig. Noch dazu mit einem Food Pairing! Da kann man nun wirklich nicht über den Preis meckern.

 

Was für mich bleibt ist ein Tag mit unzähligen Erinnerungen von Gerüchen, der warmen Sonne zwischen den kühlen Lagerhäusern, schottischem Humor, gutem Essen und tollen Whiskys. Glenfiddich mag zwar eine große Brennerei sein, aber, und das meine ich ganz ernst, man spürt hier dennoch den Familienbetrieb! Ich werde mir demnächst sicherlich mal wieder einen Glenfiddich kaufen. Solange habe ich aber noch etwas vom 30er! 

Glenfiddich im Video

Falls euch die schriftliche Besprechung nicht ausreicht habe ich vor Ort auch ein paar Eindrücke gefilmt. Dabei verkoste ich den Glenfiddich 30 Jahre!

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