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Whisky Review #87 : Zu Besuch bei: Tomatin - 2002 / 2018 Pedro Ximenez Hand Bottling

Die Brennerei Tomatin liegt mir schon seit geraumer Zeit am Herzen. Die Anzahl an Besprechungen auf diesem Blog zeigt das (und die jeweilige Bewertung wohl auch). Am 18.7.2018 konnte ich die Brennerei endlich auch besuchen und mit der "Single Cask Experience" gleich die ganze Bandbreite an tollen Fässern abdecken. Wie es im Detail war, erfahrt Ihr in der heutigen Besprechung!

Über die Brennerei: Tomatin - "The softer side of the Highlands"

Die Brennerei Tomatin liegt für Touristen eigentlich ziemlich günstig. Ungefähr 15 Autominuten südlich von Inverness, direkt an der A9. Das der Ort ebenfalls den Namen "Tomatin" trägt ist übrigens nur plausibel: Er wurde extra für die Brennereiangestellten gegründet. Fast alle Einwohner arbeiten auch heutzutage noch für die Brennerei.

Die Destille selbst wurde 1897 gegründet, wobei auch hier eher von einer "Legalisierung" gesprochen werden sollte, denn das Schwarzbrennen wurde auch vorher schon betrieben.

Die Brennerei selbst fing eigentlich erst 1909 an, als sich das Management ändert. Von diesem Zeitpunkt an wurde die Brennerei stetig erfolgreicher. In den 1950er Jahren wurde von 2 Stills auf 6 Stills erhöht, 1961 kamen noch 5 dazu und 1974 erneut 12. Das Produktionsvolumen lag damit bei über 10 Millionen Liter Alkohol im Jahr aus insgesamt 23 Stills. Riesig!

Das volle Produktionsvolumen wurde allerdings niemals erreicht, denn die Whiskyindustrie befand sich schon 1974 eigentlich eher auf dem absteigenden Ast. 1986 sollte die Brennerei geschlossen werden, zum Glück hatte sie große Fans in Japan, die ihren Nachschub bedroht sahen. Was macht man da? Genau! Man kauft die gesamte Brennerei! Damit wurde Tomatin die erste Brennerei in japanischem Besitz und sie ist es auch noch heute.

1997 wurde dann noch J.W. Hardie gekauft, und so der Blend "The Antiquary" in das Firmenportfolio integriert. Mittlerweile ist Tomatin vor allem für verschiedene Fassreifungen bekannt, einige davon habe ich auch schon probiert. Klickt euch doch einfach mal durch meine Tomatin Seite!

Die Führung - "The Single Cask Experience"

Da ich ein großer Freund der Brennerei bin, musste es bei Tomatin auch die "große" Tour sein. Für Tomatin bedeutet dies im Detail die "Single Cask Experience" zu nehmen.

Einige Details gibt es natürlich schon vor der Buchung online:

  • Tiefgehende Tour durch Brennerei und Lagerhäuser
  • Tasting von fünf Fassstärken
  • Kosten: 40 Pfund.
  • Dauer: ca. 2 1/2 Stunden.

Klingt auf den ersten Blick vielleicht teuer, allerdings kostet die Standardtour 10 Pfund und liegt damit im Preisrahmen von anderen Brennereien. Die 30 Pfund habe ich gerne draufgelegt.

Bereits im Visitor Centre sieht man die fünf kleinen Fässer, die zur eigenen Abfüllung ("hand filled") gedacht sind. Das macht direkt Lust auf mehr, die Details verrate ich euch später.

Wir waren ein paar Minuten zu früh - typisch deutsch eben - und wurden gefragt, ob wir einfach den Film zur Brennerei sehen wollen. Eigentlich gehört das nicht zur Tour, aber wenn die Zeit da ist, wieso nicht? 
Natürlich bekommt man hier die typischen Tourvideo Informationen: Das Wasser ist sehr rein, die verwendeten Zutaten von höchster Qualität, die Fässer entscheidend für den Geschmack. In ca. 10 Minuten erfährt man hier also die wesentlichen Aspekte von Whisky.

Detaillierter wurde es dann auf der Tour. Unser Tourguide war Ken, der, wie sich herausstellte, wirklich Ahnung von der Materie hatte. Die Tourmitglieder waren übrigens: Meine Freundin und ich. Privattour!

Die Tour selbst orientierte sich, wie eigentlich immer, am Produktionsprozess. Eine kurze Einführung (aus der auch die Infos von oben stammen) erfolgte draußen auf dem Hof. Dann ging es durch die Produktion: Maischen, Fermentation, Destillation. Alles wurde genauestens gezeigt, erklärt und dargestellt. Ein absoluter Pluspunkt für mich: Fotos waren fast überall erlaubt, lediglich direkt an den Brennblasen sollte die Kamera aus bleiben. Damit bildet Tomatin wirklich eine Ausnahme, meistens sind Fotos strengstens untersagt. 

Nach der Produktion gab es dann den Einblick ins Heiligtum: Die Lagerhäuser wurden für uns geöffnet. Zunächst ging es in ein Racked-Warehouse, in dem die Fässer in hohen Gestellen ("Racks") gestapelt reifen. Anschließend folgte ein kleiner Abstecher in die Hauseigene Küferei, auch eine Seltenheit für eine Brennerei. Hier arbeitet ein Küfer, der Schäden an Fässern direkt vor Ort ausbessert oder ältere Fässer aufbereitet. Hier konnten wir an verschiedenen ausgeleerten Fässern riechen (Ex-Bourbon, Ex-Sherry, Ex-Bourdeaux) und uns auch einige beschädigte Fässer anschauen. Einige davon sind mehr oder weniger ausgelaufen. Schade um den Whisky!

Aus der Küferei ging es über den Hof kurz an der Stelle vorbei wo Fässer geleert werden. Tomatin verschickt seinen Whisky nämlich per Tanklaster, oder in großen Containern zur Abfüllung, eine eigene Abfüllanlage lohnt sich nicht. Die eigentliche Führung endete in einem Dunnage Warehouse. Dieses ist das klassische Lagerhaus, in dem Whisky nur in flachen Reihen von 3 oder 4 Fässern übereinander gelagert wird. Der geringere Höhenunterschied sorgt dabei für eine ähnliche Reifung der Fässer, während die hohen Racks durchaus deutliche Temperaturunterschiede zwischen den obersten und den untersten Fässern verursachen.

Die Führung war damit eigentlich beendet. Es folgten aber noch 1 1/2 Stunden Tasting! 

Das Tasting fand für uns in einem kleinen separaten Raum neben den Stills statt. Die Wände waren ausgekleidet von Fassproben und das Line Up wunderbar:

 

  1. New Make Spirit @71,5% - Der Einstieg war der unverdünnte New Make mit knapp über 70% Alkohol. Ich habe schon einige New Makes probieren dürfen und finde dieses Stadium immer sehr spannend. Der spätere Whisky hatte noch keinen Kontakt mit Holz, ist somit auch noch farblos und zeigt die Brennereiaromen. Eine blumig-fruchtige Note mit etwas Nuss kam für mich durch. Wirklich gut!
  2. Virgin Oak - 27.9.2013 - 2018 (Handabfüllung) @62,3% - Zu diesem Whisky kommt später eine Besprechung!
  3. Ex Bourbon - 5.10.2006 - 2018 (Handabfüllung) @59,2% - Eine schöne Ex-Bourbon Lagerung, welche viele Zitrus und Fruchtaromen mit sich brachte. Von allen Abfüllungen war es für mich allerdings die Schwächste, daher habe ich keine Flasche mitgenommen.
  4. Oloroso - 25.5.2006 - 2018 (Handabfüllung) @58,5% - Auch zu dieser Flasche wird noch eine Besprechung kommen. Irgendwann, da sie an einen Freund gegangen ist und ich nicht weiß, wann er sie öffnet. Ein toller Sherrymalt!
  5. Pedro Ximenez - 18.1.2002 - 2018 (Handabfüllung) @55,7% - Details weiter unten!
  6. 1990 - 24.09.1990 - 2018 Ex Bourbon (Handabfüllung) @57,5% - Was soll ich sagen? Ein großartiger, 27 Jahre alter Tomatin in Fassstärke. Das Bourbonfass war nicht zu aktiv, der Whisky ist daher nicht überlagert. Vielmehr hat er eine tiefe Komplexität mit Nüssen, Kokos, und Südfrüchten. Der Alkohol ist perfekt eingebunden und verlangt nicht nach Wasser. Mit 275 Pfund ist die Flasche allerdings teurer gewesen als Virgin Oak, PX und Oloroso zusammen, sodass die Wahl für mich nicht schwer war.

Dieses Line Up konnte sich schon wirklich sehen lassen! Natürlich handelt es sich dabei um die Abfüllungen, die Tomatin auch verkaufen will. Aber das ist ja nicht verwerflich. Eingeschenkt wurde übrigens mehr als großzügig und zum Abschluss gab es noch einen Cu Bocan, die rauchige Variante von Tomatin, welche seit 2013 auf dem Markt ist.

Single Cask Experience - Fazit

Das Fazit kann man tatsächlich in einem Wort zusammenfassen: Grandios! Die Single Cask Experience gibt einen tiefgehenden Einblick in die Herstellung und das finale Produkt von Tomatin. Wenn ich alle kleinen Geschichten und Details wiedergeben müsste, dann würde dieser Text kein Ende nehmen! Die Qualität der Brennereiabfüllungen ist dabei so hoch, dass ich direkt drei Flachen gekauft habe. Ken war ein toller Guide, der nicht nur Wissen, sondern auch Witz und nette Nebengeschichten mit einbrachte, sodass die Tour ein außergewöhnliches Erlebnis wurde. Danke dafür! 

Wer also Urlaub in Inverness macht, sollte sich eine Fahrmöglichkeit organisieren und Tomatin besuchen. Diese Tour lohnt sich auf jeden Fall!

 

Ich schwelge jetzt in den - noch frischen - Erinnerungen und verkoste eine dieser "Distillery Only" Abfüllungen. Gerne lasse ich euch daran teilhaben!

Tomatin Pedro Ximenez 2002 / 2018 Distillery Only- Verkostungsnotizen

Tomatin 2002 / 2018 Pedro Ximenez Cask Hand Bottling Flasche

Über den Whisky: Über den Whisky gibt es eigentlich nicht viel mehr zu erzählen. Es handelt sich um ein Einzelfass, welches zur Selbstabfüllung im Besucherzentrum steht. Wobei, wenn man ehrlich ist, dann ist das nur Show: Die Fässchen im Zentrum sind mit Plastik ausgekleidet, das eigentliche Fass liegt im Lagerhaus. Spaß bringt es dennoch, sich eine Flasche abzufüllen!

 

Aroma: Anfangs kurz prickelnd und etwas kühlend. Das ist auch erlaubt, immerhin sind wir bei über 55% Alkohol. Dann gesellt sich gleich eine Note dazu, welche ich an Tomatin einfach liebe: Walnuss. Frisch geknackt, mit der Schale auf dem Tisch. Da werden bei mir Kindheitserinnerungen wach. Dazu kommt eine Getreidenote, die an frisch gemälzte Gerste erinnert (auch nicht weiter verwunderlich). Die leicht hell-fruchtige Brennereinote von Tomatin kommt nur ganz zart durch, der Whisky ist definitiv vom Fass geprägt.

 

Geschmack: Ein tolles Mundgefühl: Ausfüllend, etwas forsch aber dennoch nicht überfordernd. Nach einer Weile legt er sich richtig geschmeidig in den Mundraum, erst zum Ende hin wird es kräftiger und belegend.
Geschmacklich zeigt sich vor allem die Nussnote, die ich schon erwähnte. Haselnüsse, Walnüsse und eine tiefe Malzigkeit. Die Komplexität ist nicht unendlich, aber dafür ist der Whisky einfach lecker! Vanillenoten, Gebäck, Haferkekse treten als nächstes hervor. Dazu kommt eine leichte Säure vom Sherry, keine Fehlnote, eher ein kleiner Kick. Dunkle Früchte sind auch dabei, aber deutlich zurückhaltender als man vielleicht denkt. Getrocknete Pflaume ist hierbei für mich hervorstechend.

 

Abgang: Der Whisky baut sich im Geschmack immer weiter auf und dieser Trend setzt sich im Abgang fort. Der Alkohol schiebt jetzt kräftig an (für mich ist das noch ok, ich füge aber dennoch später Wasser hinzu). Es wird trockener im Mund, Eiche kommt dazu. Holzig schwer liegt der Whisky am Gaumen und verbleibt. Bitterer Kakao und noch immer Walnuss. Ich bin schwer verliebt...

 

mit Wasser: Wasser tut der Nase erstaunlicherweise nicht gut, der Dram wird etwas schärfer. Diese Tendenz setzt sich auch im Geschmack fort, der Whisky verliert insgesamt etwas die Balance. Die Eichentöne, Schärfe (Ingwer?) und der Alkohol treten mehr in den Vordergrund. Ich bleibe definitiv bei der puren Variante!

 

Abschließende Gedanken: Es ist klar, dass ich hier nicht wirklich nur den Whisky bewerte. Im heimischen Garten bei kühleren Temperaturen um 27°C schwelge ich vielmehr in Erinnerungen an den vergangenen Urlaub. Schön ist, dass der Whisky seine Qualität hält und ich nicht zu Hause sitze und denke "den hattest du doch besser in Erinnerung!". Nein, dieser Tomatin liefert eine tolle Qualität. Die 16 Jahre sind ein perfektes Alter, ein wenig Brennereicharakter, viel, aber nicht zu viel, Fasseinfluss. Hier wurde der "Sweetspot" getroffen. Ein toller Whisky, eine tolle Führung.

 

Kategorie: Scotch Single Malt

Destille: Tomatin

Region: Highlands

Preis: 101-200€ (90 Pfund, ca. 105€)

55,7%

Kältefiltration: Nein

mit Farbstoff: Nein

Fasstyp: Pedro Ximenez Casks

Destilliert: 18.01.2002

Abgefüllt: 18.7.2018

Fassnummer: 34913

 

Mehr Informationen:

Whiskybase

Tomatin

Tomatin auf A Dr(e)am of Sea 

 

Abschließende Bewertung: 7/7

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