· 

Whisky Review #27: Talisker - The Distillers Edition 2001 / 2012 "Abweichende Meinung"

Kann man sich eine abweichende Meinung erlauben?

 

In der Welt der Whiskybesprecher gibt es wohl einige Gesetzmäßigkeiten. Zum Beispiel muss in einem Talisker-Review die Phrase "Chili Catch" verwendet werden. Gemeint ist damit eine Chili-ähnliche Schärfe, die sich tatsächlich in den meisten Talisker wiederfinden lässt. Zum anderen gibt es häufig eine Tendenz nur "gute" Whiskys zu besprechen und diese auch weiterzuempfehlen. Nur selten gibt es ein Video oder Blogeintrag mit einem eher schwachen Ergebnis. Auch ich bin dieser Punkte schuldig. "Chili Catch" steht unten in den Verkostungsnotizen, wenn auch auch mit einem Augenzwinkern, und meine Besprechungen finden überwiegend Ergebnisse im Bereich von 5-7 Punkte als im Bereich von 0-4 Punkte.

Spannender ist für mich allerdings, was passiert, wenn man eine abweichende Meinung niederschreibt (auf Video bannt...). Häufig gibt es Whiskys, die über jeden Zweifel erhaben scheinen. Die immer wieder empfohlen werden und bei denen man eine gute Bewertung grade zu erwartet.

Was passiert nun, wenn man als Besprecher diese Meinung nicht teilt? Immerhin ist zu überlegen, dass wenn man nicht der Meinung der Leserschaft entspricht, diese einfach weiter zieht und halt auf einem der zig anderen Blogs liest. Kann einem egal sein, klar. Aber ohne Leserschaft bringt einem das Bloggen auch nicht mehr als das kleine Verkostungsnotizheft im Whiskyschrank, oder?

Man kann also die Meinung anpassen, widerwillig etwas positives schreiben und vielleicht am Rande etwas Kritik einfließen lassen. Man kann einfach einen anderen Whisky besprechen. Oder, natürlich, man kann seine Meinung äußern, sich der Gefahr aussetzen, dass einige die Meinung nicht teilen und sich vielleicht oben genannte Konsequenz einstellt.

Meine Meinung ist ganz simpel (und hoffentlich die Meinung vieler meiner Mitstreiter):

Ehrlichkeit schlägt alles. Warum sollte man die eigene Meinung verdrehen, nur um der Leserschaft zu gefallen? Das würde ja alle anderen Bewertungen auch in Frage stellen - vielleicht nicht anders als bei "gesponserten" Verkostungen. Außerdem hat man viel zu gewinnen. Eine ehrliche und konträre Meinung zu vertreten muss ja nicht negativ sanktioniert werden, sondern kann auch positive Effekte hervorrufen a la "Immerhin vertritt er seine Meinung!". Ich denke also sehr wohl, dass man sich eine abweichende Meinung erlauben kann, ja sogar erlauben sollte! 

... und da mir jetzt schon der Mund ganz trocken ist, hier eine - zumindest leicht - abweichende Meinung. Bühne frei für:

Talisker - The Distillers Edition 2001/2012

 

Über den Whisky: Talisker gehört, wie viele andere Brennereien auch, zu Diageo, einem Global Player im Bereich der Spirituosen. Als gerissenen Marketingtrick hat sich die Firma die "Classic Malts" ausgedacht: Verschiedene Brennereien aus dem hauseigenen Portfolio sollen die verschiedenen Charakterarten schottischen Whiskys aufzeigen. Cragganmore zeigt z.B. die eher milde Speyside und Talisker, nun ja, steht für die kräftigen Insel-Whiskys. Neben einer Standardabfüllung (in diesem Fall Talisker 10 Jahre), gibt es auch noch eine Distillers Edition, welche meist ein ähnliches Alter aufweist, allerdings in Jahrgängen abgefüllt wird und eine besondere Nachreifung genossen hat. Im Falle von Talisker erfolgt diese in Amoroso Sherry Fässern.

 

Nase: Rauchig, überraschend stark sogar. Kaum Torf, viel mehr ein süßer Rauch. Dazu kommt das Sherryfass im Hintergrund durch: die Süße wird verstärkt, Waldbeeren wie Brombeere und vielleicht etwas Johannisbeere. Ein wenig kühlend in der Nase, wirkt insgesamt aber zurückhaltend. Ich hätte etwas mehr erwartet!

 

Geschmack: Startet süß, weich und mild. Das Mundgefühl wirkt aber etwas wässrig - eigentlich erstaunlich bei der Alkoholstärke. Der Eindruck aus der Nase setzt sich also fort. Gehen wir genauer auf den eigentlichen Geschmack ein: Anfangs Honigsüße, etwas Erdbeere und wieder Beeren. Dann wird es etwas rauer, das Eichenfass kommt durch, holzige Würze macht sich breit. Nicht unbedingt Schrankwand, aber dennoch holzig. Der Rauch kommt erst ziemlich spät, Richtung Abgang.

 

Finish: Der Rauch kommt direkt den Rachen hochgekrochen. Relativ kräftig rauchig und etwas scharf. Irgendwo in einer Taliskerbesprechung muss man ja den Begriff "Chili Catch" einbringen. Also bitte, hier ist er. Etwas pfeffrig und wieder holzig-eichig. Es verbleibt nur eine scharf-rauchige Note.

 

Abschließende Gedanken: Die Distillers Edition ist bei fast allen Classic Malts besser bewertet als die "einfache" Variante. Bei Talisker ist das nicht anders. Der hier verkostete Jahrgang 2001/2012 hat bei Whiskybase aktuell 87,44 Punkte, der aktuelle 10er liegt bei 85 Punkten. Der Abstand mag nicht riesig sein, aber er ist gegeben. 87 Punkte in der Whiskybase heißt auch, dass der Whisky generell gut ankommt und bei die meisten Besprechungen, die ich gefunden habe, sind auch sehr zufrieden mit diesem Whisky. Keine Frage, schlecht ist er nicht. Aber wirklich überzeugen kann er mich auch nicht. Die Gründe: Irgendwie fehlt mir etwas der Dampf, auch wenn fast 46% eigentlich eine gute Stärke darstellt, fehlt mir hier die Kraft. Schwerwiegender ist allerdings etwas, was man aus den Notes oben vielleicht gar nicht so herauslesen kann. Das Fass und der Rauch stehen für mich etwas zu un-vereint gegenüber. Entweder man bekommt Süße, Fasseinfluss und Waldbeeren ODER man bekommt einen rauchigen Inselmalt. Beides gleichzeitig findet hier irgendwie nicht statt und der Übergang ist mir nicht geschmeidig genug. Natürlich ist das eine persönliche Einschätzung! Manchmal muss man halt der Masse auch widersprechen!

 

Kategorie: Single Malt Scotch Whisky

Destille: Talisker (Islands, Isle of Skye)

Preis: 51-100€ (~55€)

45,8%

Kältefiltration: Ja

mit Farbstoff: Ja

 

Mehr Informationen:

Talisker

Whiskybase

 

Abschließende Bewertung: 4/7

Kommentar schreiben

Kommentare: 0